Die Wandlung der Büchereikinder

In der Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in vielen Büchereien „Büchereikinder“. Das waren häufig belesene Mädchen, die in ihrer Freizeit in der Bibliothek halfen, die Ausleihkartei im Griff hatten und auch beim Einstellen der Bücher flott und fit waren. Sie liebten ihre Bücherei und verbrachten möglichst viel Zeit in ihr.

Die heutigen Büchereikinder legen wenig Wert darauf, in der Bibliothek bekannt zu sein.

Da riefen doch in der vergangenen Woche zwei ebenso aufgebrachte wie verunsicherte ältere Damen bei der Bibliotheksdirektorin an: Ein Horde Kinder hätte bei ihnen an der Tür geklingelt und gebrauchten Lesestoff verkaufen wollen. Die Damen seien zurückhaltend geblieben und hätten erst einmal nichts gekauft.

Daraufhin  steigerten die Kids ihre verbalen Anstrengungen und kramten zum Beweis ihrer Seriosität allesamt einen Ausweis aus der Tasche:

Weiterlesen

Fett oder fit

Lesenächte sind bei Kindern sehr beliebt, und die Bibliotheksdirektorin hatte bei der letzten wieder eine schöne Rolle: Sie spielte die Schuldirektorin in der „Schule der Bücher“ und war gleichzeitig die einzige Sportlehrerin. Vier Sportstunden mit je 20 Schülerinnen und Schülern im Altern von 8 bis 10 Jahren standen auf dem Stundenplan. Auf die Frage, warum denn Sport so wichtig sei, kamen die Kids immer irgendwann auf die Antwort: „Damit wir nicht so fett werden!“

Die Musik startete, alle mussten den Rhythmus spüren, in den Knien wippen und es ging los!

Side-to-side und  kicken: 16-mal ; side-to-side und boxen: 16-mal. Dann Klatschen statt Boxen!  Double rechts,  Double links und– alles von vorn!

Der W-Step war zu schwer, doch die Sit-ups klappten einigermaßen. Einige pfuschten kräftig: Sie machten aus dem Bauchtraining eine Schaukelübung oder hoben nur faul ihren Kopf. Am Ende kam das unvermeidliche Stretching. Weiterlesen

Ordnung muss sein

Der Junge war vielleicht 6 Jahre alt und hatte schon ein markantes Gesicht. Zielsicher schritt er an die Theke der Kinderbibliothek und traf auf die Bibliotheksdirektorin.

„Kann ich bitte eine eine Eintrittskarte zu der Vorleseaktion ‚Theke oder Tonne‘ bekommen?“ Die Direktorin erfreute sich an der wohlfeilen Formulierung,  führte seinen Wunsch aus und verlangte den Eintrittspreis: 5 Cent – der Rabatt war schon abgezogen.

Das Kerlchen hatte die 5 Cent schon parat, nahm die Eintrittskarte entgegen und blickte die Direktorin mit gerunzelter Stirn an. „Stimmt etwas nicht?“ fragte sie. Weiterlesen

Solo an der Ausleihtheke

Bibliotheken sind Orte der Stille– zumindest versuchen sie das zu sein! Das soll durch Regeln, Hinweise oder auch den Einsatz entsprechender Geräte bewerkstelligt werden.

Zu diesen  Geräten gehören auch CD-Abhörstationen: Verteilt im ganzen Haus kann man dort stundenlang sitzen, träumen, sich ausruhen, mit den Füßen wippen, eine kleine Auszeit nehmen und derweil Hörbucher, Popmusik, Meditationsklänge oder anderes anhören.

Unsere Direktorin kam zur abendlichen Öffnungsstunde an die Ausleihtheke. Sie schaute sich irritiert um– sangen die Kolleginnen jetzt neuerdings bei der während der Ausleihe? Das musste aber noch besser werden! Ein genauer Blick genügte: Nein, die Damen lächelten, sangen aber nicht. „Wer singt denn da so schief?“ fragte sie staunend … Weiterlesen

Schneewittchen und die lieben Zwerge

„Vorlesen und selbst Theater spielen!“, stand auf dem Programmzettel und 43 kleine und größere Kinder warteten scharrend vor der Tür der Kinderbibliothek.

„Oh Himmel!“, entfuhr es der Bibliotheksdirektorin: „Die kann ich doch gar nicht alle unterbringen! Mehr als ein Schneewittchen gibt das Märchen nicht her!“ Und dann ging es wie mit dem Brennesseltest: Beherzt zupacken ist das halbe Leben und die Kinderschar stürmte die Bude.

Die Märchenvorleserei klappte noch wunderbar, die Geschichte war klar und die Rollen wurden verteilt. Gleich 10 Kinder wurden zu Bäumen des Waldes und mussten die Arme hochstrecken: „Oh manno, dass ist aber anstrengend!“ Der Wald war ziemlich maulig und erinnerte öfter an ein großes Areal von Trauerweiden: Ständig fielen den Bäumen die Arme runter.

Das Schneewittchen war zwar langhaarig, aber blond, dafür hatte die böse Königin echte Sommersprossen! Der Jäger war auch schnell ausgeguckt, und immer wieder rief die Direktorin: „Wo sind die Bäume, die Bäume? Der Wald kann nicht immer irgendwo herumstehen und träumen!“

Die Zwerge waren dagegen schnell gefunden, waren aber leider ein unzuverlässiges Pack: Meistens waren nur vier von ihnen anwesend: Einer war immer gerade auf dem Klo, ein anderer lümmelte bei den Comics herum, wieder andere versteckten sich zwischen den Bäumen, die dann auch wieder ganz lebendig wurden.

Allein die Bettszene mit Schneewittchen …

Weiterlesen

Eine Düsenjäger-Oma

Die Vorlesestunde galt schon als verpatzt, als die Bibliotheksdirektorin die Kinderbibliothek betrat: „Die Schüler, die heute vorlesen sollten, sind nicht erschienen, und das Vorlesebuch und auch alle anderen Raupenbücher sind ausgeliehen! Was sollen wir denn jetzt machen?“

Alle liefen und riefen durcheinander, und panische Ratlosigkeit stand in den Gesichtern: Vor der Tür warteten 20 Vorlese-Club-Kinder, die pünktlich um 15 Uhr zur Raupenvorlesestunde reingelassen werden wollten.

Die Direktorin schob den betreuenden Lehrer freundlich zur Seite und gab vier Kommandos: Weiterlesen

Besser ’ne Taube auffem Dach, als …

… inner Bibliothek: Schon vor der samstäglichen Öffnungszeit saß sie bei „Grusel, Horror, Fantastisches“ und wackelte mit dem Kopf.

„Ja, wie bist Du denn reingekommen, mein Täubchen?“ gurrte die Bibliotheksdirektorin und das schillernde Wesen gurrte zurück und machte sich auf den Weg zur Lyrik. Bei den Märchen schaltete die Direktorin endich, flitzte in die Küche und suchte nach Brotkrumen. Das Täubchen folgte der Brotspur dann sehr bereitwillig in den Lesegarten und ließ sich dort nieder.

Zwei Stunden später war das schillernde Täubchen immer noch da. Die Tierärztin, die angerufen wurde und nach drei Stunden kam, traf nur noch von zwei lauernde Krähen an, und die Belegschaft begann langsam zu trauern. Nach vier Stunden lungerte Madame Taube jedoch wieder bei den Romanen herum: „Verflixt, wo hattest du dich denn versteckt?“ fragte sich die Direktorin erleichtert und rief bei der Feuerwehrleitstelle an:

Weiterlesen

Generation 50+: nur oben

Unsere Bibliotheksdirektorin trieb sich samstags wieder mal im Erdgeschoss herum, begrüßte neue und bewährte Bücherpaten und machte sich nützlich. Das BookCrossing-Regal gleich am Eingang sah etwas unordentlich aus, und so bückte sie sich und rückte alles schön gerade.

Der Eingangsbereich ist nicht ohne Brisanz: Hier läuft man ständig Gefahr, mit den Worten „Ach, wo ich Sie grad seh’ …“ von wildfremden Menschen mit Problemen aller Art beschäftigt zu werden. Alles, was irgendwo in der Bibliothek oder anderswo ungelöst bleibt, ballt sich dann an Ort und Stelle und erfordert geistige Präsenz und besondere Beweglichkeit.

Diesmal passierte es sofort! Der Senior mit Gehhilfe wartete gar nicht erst, bis die Direktorin sich erhoben hatte, sondern begann mit den Worten: „Wo ich Sie grad sehe, Sie haben doch da oben …“

„Verflixt!“ dachte sie, „kann der nicht warten, bis ich wieder grade stehe?“

Die Direktorin krabbelte in die Senkrechte und bekam einen innovativen Vorschlag unterbreitet, der an Kreativität nicht zu überbieten war …

Weiterlesen

Zauberwort

Der Zauberer war noch jung und zitterte ein wenig vor Lampenfieber. Die Kinderbibliothek war voll, 180 Kinder saßen auf dem Boden, zappelten rum und warteten gespannt auf zerschnittene Jungfrauen und weiße Kaninchen.
„Applaus!“ rief die Bibliotheksleiterin, als der Zauberer mit weißem Gesicht etwas verschreckt um die Ecke guckte. Die Kinder bedienten das Kommando – die Bude tobte!

„Gong!“ machte die Klangschale und die Kids waren mucksmäuschenstill.

„Wow! Ich bin beeindruckt!“ meinte der Zauberer und zauberte sich langsam warm. Er wurde ruhiger und die Kinder machten es ihm leicht: Sie waren superlieb, antworteten brav und guckten erstaunt – Augen und Münder weit aufgerissen.

Eine Stunde später kam es zum finalen Höhepunkt. Weiterlesen

Nervensägen

Man erkennt sie am Habitus: Gerade der Grundschule entwachsen, entdecken sie die Bibliothek als einen Ort, an dem man Aufmerksamkeit heischen kann. Die Bibliotheksdamen sind ja geduldig, beantworten jede Frage– auch wenn es jeden Tag dieselbe ist– und flippen nie aus.

Der Junge war unscheinbar. Er hatte eine Popgruppe im Visier und pflügte täglich den OPAC durch.

„Jetzt gucken Sie doch mal! Seit drei Tagen soll die CD im Trog der Jubi stehen, da ist sie aber nicht!“ Man lässt also alles fallen und geht mit den Knaben auf die Suche, prüft, merkt den Prüffall vor und hofft, dass er jetzt mal Ruhe gibt … Weiterlesen