Nervensägen

Man erkennt sie am Habitus: Gerade der Grundschule entwachsen, entdecken sie die Bibliothek als einen Ort, an dem man Aufmerksamkeit heischen kann. Die Bibliotheksdamen sind ja geduldig, beantworten jede Frage– auch wenn es jeden Tag dieselbe ist– und flippen nie aus.

Der Junge war unscheinbar. Er hatte eine Popgruppe im Visier und pflügte täglich den OPAC durch.

„Jetzt gucken Sie doch mal! Seit drei Tagen soll die CD im Trog der Jubi stehen, da ist sie aber nicht!“ Man lässt also alles fallen und geht mit den Knaben auf die Suche, prüft, merkt den Prüffall vor und hofft, dass er jetzt mal Ruhe gibt …

Tags drauf ist er wieder an Bord und stellt seine Frage unter Anwendung des Prinzips der zwingenden Beharrlichkeit. Die Bibliotheksdirektorin versucht zu erklären, dass die Vormerkung mit dem Hinweis auf den suchenden Fan ja schon eingegeben ist, und man zur Zeit nicht mehr machen kann. Der Fünftklässler findet das nun ziemlich doof und zieht eine Schnute, schickt sich aber drein.

Am Feierabend geht die Direktorin mal wieder bepackt aus dem Hause und wen sieht sie?

Genau! Die kleine Popgruppen-Nervensäge nebst zugehöriger Mama flaniert vorbei! Und was bekommt sie zu hören?

„Na Mädchen, hast’e jetzt auch mal frei?“ Der Mama fällt die Kinnlade herunter, die Direktorin fühlt sich dagegen plötzlich beschwingt und jung! 😉