Käsetheke

„Oh, verflixt!“, sage ich laut zu mir selbst, „jetzt ist es schon halb acht und ich sitze hier immer noch im Büro herum! Heute ist doch mein kurzer Tag und seit 18 Uhr hätte ich eigentlich verschwunden sein müssen!“

Der heimische Kühlschrank ist nämlich leer und ich jetzt muss ich wirklich superschnell noch etwas einkaufen. Also: Jacke an, zum Auto gespurtet, losgefahren, gerade noch geschafft, Brot, Bananen, Milch, Kopfsalat und Butter in den Einkaufswagen geworfen: was fehlt? Ach, Käse noch und ich stelle mich an der Käsetheke an. Dort ruhe ich mich ein wenig aus, lasse den Blick schweifen und schaue mir die Käsestücke in der Theke an. Soll ich den Bärlauch-Käse mal …

Da tippt mir jemand auf die Schulter!

„Sagen sie mal, ich kenn‘ Sie doch – Sie arbeiten doch in der Bücherei, oder?“

„Ja“, antworte ich, „das stimmt“ und bin nicht wirklich bereit, mich bei meinen Käsegedanken stören zu lassen. Aber das Gespräch mit der älteren Dame geht weiter, sie ist ganz freundlich.

„Hören sie, ich hab‘ da so ein Problem und hätte das gerne erledigt. Das ist nämlich damals passiert, als wir umgezogen waren und meine Mutter dann auch noch plötzlich ins Krankenhaus musste, das verstehen Sie doch sicher? Ein Mensch ist doch wichtiger als ein Buch, oder? Ich bin sonst nämlich sehr zuverlässig und immer pünktlich!“

„Ja, ja“, denke ich, und gleich danach: „Bin ich hier im Dienst oder kaufe ich Käse?“ Ich stöhne innerlich, frage dann aber doch nach: „Wo liegt das Problem denn genau und wie kann ich Ihnen dabei HIER an der Käsetheke helfen? “

„Wissen sie, diese zwei Euro Mahngebühr sind bei Ihnen schon länger offen. Ich geniere mich deswegen ein bisschen, gebe Ihnen jetzt einfach das Geld in die Hand und dann ist das erledigt, ja?“

Sie hat das Geldstück schon parat, drückt mir die Münze in den Handteller und sagt fröhlich: „Danke, das ist wirklich sehr nett von Ihnen!“ und verschwindet winkend und mit einem freundlichen „tschöö“ zwischen dem Kaffee- und dem Kekse-Regal.

Mein verdutztes Trägheitsmoment dauert leider etwas zu lange– erst nach einigen Sekunden fällt mir ein, dass ich den Namen dieser anständigen Leserin ja gar nicht weiß! Ich laufe Ihr nach, aber sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Wie kann man denn so wieselflink sein?

Mein Käse? Ach egal, dann gibt’s eben heute keinen Käse!