Eisgekühlte Coca-Cola

Die Kleine war hübsch und temperamentvoll,  hatte dunkle, volle Locken und bewegte sich anmutig.  Sie kam immer allein in die Bibliothek, stromerte herum und zettelte zielgerichtet Streit an:  Zur Einstimmung schubste sie die Kleinen am Bilderbuchtrog zu Boden, warf ein paar Schaukeltiere um, beschimpfte anschließend ein paar Größere in bestem Gossenjargon und ließ aus ihren Augen wütende Blitze funkeln.  Doch als sie der Bibliotheksdirektorin vors Schienbein trat und den Mund zum Anspucken spitzte wollte, reagierte diese  blitzschnell:

Sie packte das Wutpaketchen bei  der Hand und sagte: „Wir gehen jetzt mal was Leckeres trinken und unterhalten uns nett, ja?“ Verblüfft ließ sich das zornige Kind mitnehmen, nahm würdevoll im Büro der Direktorin Platz und durfte sich ein Getränk wünschen. „Ich will Cola!“ schnauzte die Kleine und verschränkte die Arme mit Nachdruck vor der Brust.

„Zu Befehl!“ entgegnete die Direktorin, „Mit oder ohne Eis?“ Zuerst kam die eisgekühlte Cola, dann folgte die Standpauke …

Was genau die Bibliotheksdirektorin sagte, ob sie schimpfte oder drohte, ist nicht überliefert. Am nächsten Tag saß ein kleines, dunkel-gelocktes Mädchen brav vor der Tür der Bibliotheksdirektorin und wartete. Als diese endlich aufkreuzte, stand die Kleine auf und fragte: „Kann ich noch mal mit Dir reden und krieg ich auch noch ’ne Cola?“

6 Gedanken zu „Eisgekühlte Coca-Cola

  1. Sicher nicht, sonst wäre das Verhalten anders. Da sage noch jemand, Bibliothekarin sei kein sozialer Beruf…

  2. Wie einfach es doch ist, einem offensichtlich aggressiven Kind ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken (wenn`s auch mit Cola ist) und dann festzustellen, es möchte nur beachtet werden.

  3. Zu wenig Aufmerksamkeit ist wohl nicht nur für Kinder ein Problem … interessant, dass sie eine Bibliothek wählte.

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