Beschwerden sind ein (süßes) Geschenk

… da stand sie vor mir, die Bibliothekarin aus der Kinderbibliothek und sagte leicht trotzig, dass sie sich beschweren wolle. „Dann komm‘ mal rein!“, meinte ich und sie grummelte ein wenig und ließ den Satz fallen: „Oder soll ich gleich zum Personalrat gehen?“

„Oh Gott, oh Göttin“, dachte ich, „was ist denn jetzt los, da scheint ja was im Busch zu sein!“

Man fühle sich doch sehr vernachlässigt, die Lieferungen würden ja gar nicht mehr kommen, hub sie an und ich verstand gar nichts. Kommen keine neuen Medien mehr an oder fehlt Papier oder sind keine DVD-Safer mehr da oder was?

Doch dann sah ich sie genau an und entdeckte ein kleines, freches Grinsen in ihrem Gesicht. „Du lieferst gar keine Schokolade mehr!“ präzisierte sie sich vorwurfsvoll, „früher hast Du uns regelmäßig versorgt, aber seit ein paar Wochen kommt nichts Süßes mehr bei uns an!“

Tja, dass ich ein paar Wochen Urlaub hatte, konnte ich gar nicht mehr loswerden. Ich wich ihren druckvollen Worten und krabbelte auf allen Vieren unter meinen Schreibtisch. Dort steht mein geheimer Minikühlschrank, mehr oder weniger gefüllt mit Schokolade aller Art: Jogurette, Schokobons, Kinderschokolade– alles ist da und dient der Notversorgung vieler Teams. Eine offene Schale steht sowieso immer zu freien Bedienung auf meinem Tisch. Doch die Kolleginnen aus der Kinderbibliothek wollen bedient werden! Ab und zu rufen sie an und schreien um Hilfe, so frei nach dem Motto: „Wenn wir jetzt keine Schoksie kriegen, fallen wir tot um!“

Dann eile ich notfallmäßig ins Erdgeschoss und rette das Kibi-Team, damit es nicht vor lauter Unterzuckerung stirbt.

Wat lernt uns dat? MitarbeiterInnengespräche, Zielvereinbarungen, Teamsitzungen, Führungsstrategien usw.: Alles Quatsch!

Führungskräfte führen am besten mit Hilfe von Schokolade! Alle anderen Motivationstheorien sind Blödsinn!

Das sollte bei allen Bibliotheksneubauten in Zukunft auf jeden Fall beachtet werden! Ein großer Kühlraum muss zwingend eingeplant werden und eine dezentral bewirtschaftete Finanzposition, die den sensorisch-leckeren Motivationstitel „Schokolade“ tragen sollte, ist einzurichten. Alle Chefs und Chefinnen sollten sich schnellstens darum kümmern und für immerwährenden Nachschub sorgen. Die Umverteilung in die einzelnen Abteilungen sollte maßgeblich an Hand der Zahl der weiblichen Mitarbeiterinnen erfolgen.

Beim Bibliotheksindex sollte mal jemand darüber nachdenken, die Kennzahl „Schokolade pro Mitarbeiterin pro Jahr“ in die statistische Analyse aufzunehmen: Dann würde unser Listenrangplatz im Feld „Mitarbeiterorientierung“ schlagartig nach oben klettern.

Die konkrete Forderung an meinen Beigeordneten, mich ab sofort wöchentlich mit einem Schälchen hellen Konfektes zu motivieren (das dunkle mag ich nicht so gerne), wurde übrigens sofort erfüllt: Wenige Tage später fand ich genau diese leckere Süßigkeit auf meinem Schreibtisch!

3 Gedanken zu „Beschwerden sind ein (süßes) Geschenk

  1. Ich denke, es könnte ohne größeren baulichen Aufwand ein Rohrleitungssystem in die heiligen Hallen integriert werden: http://de.wikipedia.org/wiki/Rohrpost. So könnte dann jeder darbende Mitarbeiter zeitnah sein Zückerchen zugeteilt bekommen.

    Natürlich wären dazu längliche Leckerchen am besten geeignet. Wozu gibt es schließlich die längste Praline der Welt? 😉

    Liebe Claudia!
    Viel Spaß an und Erfolg mit deinem Blog! Ich bin schon ganz gespannt, mehr aus deinem turbulenten Alltag zu erfahren. Eine wunderbare Idee! Also bitte her mit den Geheiminfos! 😉
    Deine Psammy

  2. Liebe Frau Elsner-Overberg,
    ich habe Sie ja bei einem Besuch in Ihrer Bibliothek als höchst innovative Dame kennengelernt! Deshalb wundert es mich auch gar nicht, dass Sie die Idee mit dem blog hatten. Super Idee – also ich werde mir die Erlebnisse bestimmt nicht entgehen lassen.
    ….. Und den link mit der „süßen Beschwerde“ habe ich ganz dezent an meinen Chef weitergegeben….
    BOND begeistert Bibliotheken – aber zunächst mal bin ich jetzt begeistert!
    Viele herzliche Grüße
    Kirsten Berger

  3. Au weh! Da hab ich wieder mal Pech mit meinem Einfraubetrieb!

    Aber: Selbst ist die Frau!

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