Neue Zweigstelle?

Das Wetter ist schlecht– die Bibliothek ist voll. Es ist Samstag und die Vorlesestunden für die „Zwerge ab 4“ sind gerade vorbei. Kinderwagen, Kinderschuhe, Eltern mit Kindern jeder Größe: Alles steht, sitzt und liegt kreuz und quer herum. Alle haben was zu fragen, und bei den Gruselbüchern liegen die Kinder unter den Regalen und gucken sich mit Vergnügen die Beine und Füße anderer Leute an. 😉

Drei coole Jungs rauschen an. Sie ragen aus der Menge der Kleinkinder heraus, und reichen mir wortlos einen Zettel. Supercool, denke ich und frage: „Ja, was kann ich für Euch tun?“ Ein bisschen Sprachförderung bekommt bei mir jeder, auch die ganz wortkargen Typen.

„Ham se das?“ murmelt mich einer von den drei Jungs an.

„Seh’ ich aus wie ’ne Datenbank?“ ist mein erster Gedanke. Das sage ich aber nicht, wir wollen die jungen Leser ja nicht vergraulen. „Schaut doch mal in den PC-Katalog! Da stehen alle unsere Medien drin!“ Ich leite die Herrschaften also zum nächsten freien Stuhl und sie folgen mir widerwillig.

„Wollen Sie das nicht machen?“ kommt als nächste Frage. „Nö“, antworte ich, „Ihr seid doch schon groß, macht das mal selber!“

Das Adlerkreisen über der Tastatur beginnt und dauert außergewöhnlich lange.

Dann rufen sie nach mir, und ich schaue mir das Suchergebnis an. „Tja“, frage ich dann: „Wie heißt denn der Autor hinten? Karl, Otto oder Wolf?“

„Keine Ahnung, wissen wir doch nicht!“ Daraufhin muss die Bande nach dem Titel suchen, was auch unter Mühen gelingt. Dann gucken sie auf den Bildschirm und sehen nix, merken aber auch nicht, dass dieses Diktatbuch, das ihnen irgendwer zum Üben empfohlen hat, nicht in unserem Bestand ist. Nun, man braucht das Buch eigentlich seit gestern. In dem Moment wird meine Aufmerksamkeit geklaut (da läuft doch tatsächlich wieder jemand mit ’nem vollen Kaffeebecher durch die Kinderbibliothek!), und ich verliere die drei coolen Jungs kurzfristig aus den Augen.

Zwei von ihnen finde ich wieder und frage nach dem dritten, dem ich doch noch unsere anderen Diktatbücher zeigen wollte.

„Der ist mal eben um die Ecke in die andere Bücherei gegangen!“

„Och!“, sage ich, „welche Bücherei denn?“ und überlege, ob mir da was entgangen ist. Wir haben doch keine Zweigstellen mehr– oder meint er die kirchliche Bücherei, die ist aber doch gerade umgezogen …

„Nee, der ist in der Tayla-Bücherei!“

Ich gucke etwas ratlos. Ist das eine türkische Bücherei? Das wäre logisch, die drei haben eindeutig diesen Migrantenhintergrund. Das Wort Tayla kenne ich zwar nicht, aber Ayla gibt es– das ist ein weiblicher, türkischer Vorname.

Und dann kapiere ich’s endlich! Der junge Mann ist in die Thalia-Buchhandlung gegangen, während mir seine Kumpels hier Rätsel aufgeben! 😉

Wenn die Jungs dann demnächst mit der Diktate-Überei fertig sind, können sie sich gleich dem sinnentnehmenden Lesen widmen. Das Schwarze sind die Buchstaben, man muss sie nur alle mitnehmen und richtig sortieren! 😉