Freche Bibliotheksdirektorin

Zum dritten Mal innerhalb von 10 Minuten klingelte es an unserer Verwaltungstür. „Verflixt“, denke ich, „es ist jetzt 19:30 Uhr, und die Bibliothek ist noch geöffnet, was wollen die Leute denn hier oben von mir? Ich hab‘ noch so viel vorzubereiten, in einer halben Stunde beginnt unser Naturschutz-Vortrag im Lesecafé!“

Die erste VHS-Dame kam mit Liegematte unterm Arm und fragte, ob bei mir der Yoga-Kurs wäre, sie könne den Raum nicht finden. „In meinen Büro ganz bestimmt nicht!“ sagte ich, und geleitete die Dame den Gang entlang zum richtigen Raum. Das fehlte ja nun noch, dass sich die entspannten Damen mit den warmen Socken alle bei mir im Büro niederlegen.

Die zweite VHS-Dame wollte zu dem Vortrag mit Herrn Dr. „Achwieheißtdernoch“: Die habe ich dann eine Etage höher geschickt, zu mehr war ich nicht bereit. Intellektuelle werden ja wohl in der Lage sein, einander aufzuspüren.

Als dritter kam ein junger Mann, der– mittlerweile war es schon 19:40 Uhr– ein VHS-Programm von mir haben wollte. Und da wurde ich echt frech!

„Schauen Sie mal“, sagte ich zuckersüß und zeigte mit meinem spitzen Zeigefinger auf das Schild an unserer Tür. „Das ist hier der Verwaltungseingang zur Stadtbibliothek, das kann man hier gut lesen. Wenn nicht, macht das aber nichts, dann holen Sie sich in der 3. Etage das VHS-Verzeichnis und lassen sich die Termine für die Alphabetisierungskurse geben. Da sind bestimmt noch Plätze frei.“

Glücklicherweise ist es mir gelungen, diese kantige Bemerkung in ein supernettes Lächeln zu verpacken! Der junge Mann schaute mich an, guckte auf das Schild und fing dann selbst an zu grinsen, sehr breit und voller Humor. „Klar“, sagte er, „da steht’s ja!“ und trollte sich die Treppe rauf.

Da habe ich aber Glück gehabt – so viel ungebremste Frechheit sollte eigentlich verboten werden! 😉