Lesen und lachen bis der Arzt kommt

Unsere Direktorin hatte mal wieder das Zipperlein. Seit Monaten humpelte sie mit defektem Hüftgelenk durch die Gegend, hopste bei ihren Fortbildungen unter Schwungtüchern her und war dann im Büro malade. Typisch! Wenn sie dann mal Zeit hatte, hatte der Orthopäde keine; wenn der konnte, war sie verhindert. Ein Termin musste also her! Monate später saß sie im Wartezimmer, die Hüfte hatte sich– frei nach dem Motto „Wat von selbst kommt, jeht auch von selbst“ wieder beruhigt, aber Termin ist schließlich Termin, und man kann ja schon mal präventiv arbeiten.

Das Wartezimmer war voll, und alle Leute hatten säuerlich-griesgrämige Gesichter. Eine Stunde saß die Bibliotheksdirektorin nun schon herum und beschäftigte sich sinnvoll: Sie las! Erst ein Buch zu Ende, und dann die beiden Lokalzeitungen. Die Überschrift einer kleinen Notiz machte sie neugierig, dort stand nämich: „Halt mal die Frau Meier ab!“ Die kleine Glosse war richtig lustig geschrieben und behandelte die kurze und knapp-funktionale Sprache in der Gastronomie. Nicht dass man glaubt, Frau Meier müsse zur Toilette! 😉

Unsere Direktorin fing an zu grinsen, gluckste bald in sich rein und explodierte schließlich mit einem fröhlich-lauten Gelächter. Ja, was glauben Sie, was das griesgrämige Wartezimmer daraufhin machte?

Ohne verbale Kontaktaufnahme steigerte sich die Patientengruppe in eine physiognomische Ausdrucksform hinein, die an Missbilligung und Bösartigkeit nicht zu überbieten war! Die Direktorin floh in ein Nebenwartezimmer und traf dort auf einen älteren, sympathisch-fröhlich wirkenden Italiener. Der hatte kleine Lachfältchen, und es stellte sich heraus, dass auch er nun mittlerweile seit zwei Stunden wartete. Dem las sie nun die Glosse vor, und an der Stelle, an der es hieß: „Frau Meier ist das weiche Ei!“ lachte der nette Mann mit ihr, laut und herzhaft.

Dabei blieb es nicht: Die Türe zur gegenüberliegenden Röntgenkabine ging auf, und eine Patientin schaute neugierig heraus und sondierte die Lage mit dem fragenden Vorwand, ob man sie wohl vergessen hätte? Sie säße nun schon eine halbe Stunde recht locker bekleidet auf dem Hocker herum.

„Das macht doch nichts“ sagten wir beiden Humornudeln auf den ungemütlichen Stühlen, „wir warten auch schon zwei Stunden! Sollen wir ihnen mal was Lustiges vorlesen?“

Gesagt, getan! Wir waren nun zu Dritt und hatten Spaß mit unserem Text. Leider nahm dann alles seinen gewohnten Gang, Sie kennen das sicher, Ernst Jandl hat es so schön beschrieben:

fünfter sein

tür auf
einer raus
einer rein
vierter sein

tür auf
einer raus
einer rein
dritter sein

tür auf
einer raus
einer rein
zweiter sein

tür auf
einer raus
einer rein
nächster sein

tür auf
einer raus
selber rein
tagherrdoktor

Eigentlich ärgerlich, dass wir dann doch noch dran kamen. 😉