Omas am Bookshelf

Da stand wieder eine und umkreiste das Bücherregal unserer Bookcrossing-Zone. Es stand Ihr auf die Stirn geschrieben, dass sie die Utta Danella, die dort lag, gerne einpacken würde. Aber irgendwie misstraute sie der Sache und wartete vielleicht darauf, dass ich endlich verschwände.

„Wissen Sie, wie das Bookcrossing funktioniert?“ sprach ich sie freundlich an.

„Das muss ich auch nicht wissen!“ wurde ich angebellt. „Ich bin 87 Jahre alt und so einen neumodischen Quatsch muss ich nicht mitmachen!“ schnauzte sie weiter und stampfte mit dem Gehstock auf, so dass ich meine Füße mal flott in Sicherheit brachte.

Ich blieb ruhig und die Sache mit dem „lebenslangen Lernen“ schoss mir durch den Kopf. Handelte es sich hier womöglich um einen hoffnungslosen Fall? Ich gab nicht auf.

„Wissen Sie, hier gibt es 160.000 Medien, die Sie einfach ausleihen können. Aber die Bücher in diesem Regal sollten im Internet notiert werden. Darüber freuen sich die Bookcrosser immer sehr.“

„Das ist mir völlig egal, wenn sie wüssten, was ich schon alles durchgemacht habe!“

Die unfreundliche Oma umkreiste mich, rempelte mich grob an und humpelte wütend zur Ausleihtheke.

„Du lieber Himmel!“ dachte ich und erinnerte mich an eine andere Oma, die mir einmal freudestrahlend und voller Stolz davon erzählt hatte, wie der Enkelsohn ihr das Internet beigebracht hätte.

Ich wandte mich um und ging nachdenklich zur Treppe. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine schnelle Bewegung. Ich hatte es geahnt! Überraschend schnell war unsere unfreundliche Großmutter zurückgekehrt, hatte sich gebückt und die Danella gegrabscht. Sie verließ sofort das Haus!

Das nennt man Leseförderung für die Generation 55+. Die Methode: Mit Widerstand gegen Altersstarrsinn– das klappt immer! 😉