Unsere Direktorin war mal wieder im Fernsehen. Der lokale Sender brauchte in der Ferienzeit einen Studiogast, das Thema hieß „Bookcrossing mit 1.000 Büchern am Ostersonntag“, und so verbrachte sie den Karsamstag bei Filmaufnahmen. Morgens fand der Dreh vor Ort statt, am Abend war dann der Liveauftritt im Fernsehstudio des Lokalsenders.
Schön geschminkt und zurechtgemacht verließ die Bibliotheksdirektorin die Maske und betrat das Studio: Der Lippenstift glänzte, die Haare hübsch frisiert und das Rouge zauberte eine kleine Frische auf das mittlerweile etwas ermüdete Gesicht. Abgepudert und aufgedreht beantwortete sie kompetent und aufmerksam die Bookcrossing-Fragen der Moderatorin.
Zwei Tage später wurde die Direktorin in der Bücherei verfolgt. „Waren Sie das nicht letztens im Fernsehen?“ fragte ein älterer Herr, der sie die Treppe hinauf verfolgt hatte und Blickkontakt suchte. „Sie haben doch über so Bücher gesprochen!“ Die Direktorin nickte, lächelte und freute sich, dass das Thema in den Grundzügen verstanden worden war.
Kurze Zeit später wurde sie von einer Oma am Ärmel gepackt und festgehalten. „Sie waren letzten Samstag im Fernsehen! Ich hab‘ Sie gesehen! Dat waren doch Sie, oder?“ Die begeisterte Oma hielt die Direktorin einfach am Pullover fest und zog ihr den Ärmel immer wieder herunter.
„Ja, Sie haben recht! Wie hat Ihnen denn der Beitrag gefallen?“, fragte die Direktorin zurück.
„Och, wissen S’e, ich war beim Bügeln und hab‘ nich ganz hingehört. Aber d’e Haare hatten S’e schön!“