Die Menschen haben freundliche Vorstellungen vom Arbeitsleben einer Bibliohteksdirektorin. Hier eine kleine Kostprobe.
Noch im Mantel und vor Eroberung des Arbeitsplatzes findet die erste Besprechung über den Bestseller „Irre“ auf auf der Treppe statt. Der Messebesuch der Azubine wird dabei auch schnell abgeklärt und die Praktikantin lernt– ruck, zuck– wie das Lochen von vier Löchern geht.
Jetzt den Rechner anschalten, Mantel ausziehen, Luft holen und die Krankmeldungen sichten. Ah, fünf Leute wollen zurückgerufen werden, doch dazu kommt die Direktorin vorerst nicht. Der Mann am anderen Ende der Leitung ist schneller und will unserer Direktorin eine Beschallungsanlage zum Verleihen an ihre Kundschaft schmackhaft machen. Braucht sie die? Nö!
Kurze Zeit später versuchen am Telefon diverse weibliche Leseratten der frechen Art, ein Engagement in der Stadtbibliothek zu ergattern. Hat die Direktorin Geld dafür? Nö!
Dann ruft ein Händler aus Leipzig an: Alte Bücher will er verkaufen– Gott sei Dank hat die Bibliotheksdirektorin davon selbst genug und sagt: Nö!
Der nächste Anrufer will der Bibliotheksdirektorin ein paar Filme zur Ansicht zukommen lassen. Ja, wie soll man denn sowas finden? Der Tag hat 24 Stunden, wenn man die Pausen durcharbeitet sind es 26. Zur Ansicht wird hier nichts geguckt. Nö!
Kurze Zeit später steht eine Dame an der Infotheke, die gerade zufällig im Hause ist und sich wünscht, die Bibliotheksdirektorin spontan kennenzulernen, weil das im vergangenen Jahr nicht geklappt hat. Also das geht jetzt wirklich nicht. Nö!
Gegen 17 Uhr kommt ein junger Mann gleich ins Büro der Direktorin und liefert seinen Schrott-Laptop an. Man hätte doch gute Kontakte zu Schulen, der Laptop sei nur wenig kaputt, so Schulen könnten den bestimmt noch gut gebrauchen. Er stellt den Schrotthaufen gleich neben die drei Körbe mit geschenkten Medien, die auch gerade angeliefert wurden und von denen einige bereits mehr als ein halbes Jahrhundert alt sind. Was der nette Mann nicht mehr hört, ist das mittlerweile kraftlose „Nö!“ unserer Direktorin.
Der beste Anruf kommt am Schluss: „Hör’n Se mal!“ sagt die quirlige Dame am Telefon und im Hintergrund scheint ein ganzer Kindergarten herumzuschreien: „Jetzt seid doch mal still und tut die Katze vom Tisch! Also: Hör’n Se mal– schul’igung, hier ist echt was los– ich hab’ da ein Problem. Eine von Ihren CDs ist in meinem Coumputer hängengeblieben. Können se mal ’nen Techniker rausschicken, um das zu reparieren? Jetzt seid doch mal ruhig, ich verstehe hier nichts, was sagen Sie? Nö? Se haben gar keinen Techniker? Ja, warum denn nicht? Könn’ Se das dann bitte rasch selbst machen?“
Das letzte „Nö!“ des Tages geht im Kindergeschrei unter.