Unsere Bibliotheksdirektorin trieb sich samstags wieder mal im Erdgeschoss herum, begrüßte neue und bewährte Bücherpaten und machte sich nützlich. Das BookCrossing-Regal gleich am Eingang sah etwas unordentlich aus, und so bückte sie sich und rückte alles schön gerade.
Der Eingangsbereich ist nicht ohne Brisanz: Hier läuft man ständig Gefahr, mit den Worten „Ach, wo ich Sie grad seh’ …“ von wildfremden Menschen mit Problemen aller Art beschäftigt zu werden. Alles, was irgendwo in der Bibliothek oder anderswo ungelöst bleibt, ballt sich dann an Ort und Stelle und erfordert geistige Präsenz und besondere Beweglichkeit.
Diesmal passierte es sofort! Der Senior mit Gehhilfe wartete gar nicht erst, bis die Direktorin sich erhoben hatte, sondern begann mit den Worten: „Wo ich Sie grad sehe, Sie haben doch da oben …“
„Verflixt!“ dachte sie, „kann der nicht warten, bis ich wieder grade stehe?“
Die Direktorin krabbelte in die Senkrechte und bekam einen innovativen Vorschlag unterbreitet, der an Kreativität nicht zu überbieten war …
„Wissen Sie, ich kann mich nicht mehr so gut bücken und da wollte ich vorschlagen, dass die Bibliothek für uns Ältere immer das unterste Regalbrett freilässt. Das müsste doch gehen, hier ist doch genug Platz!“
Mit dem Argument, dass so kleine Bibliotheksdirektorinnen wie ich dann fordern müssten, das oberste Brett immer freizulassen, hatte der Mann gottseidank nicht gerechnet. Er guckte auf die Direktorin runter und machte ein halb einsichtiges, halb mitleidiges Gesicht.
Überhaupt: Was sollen denn die Krabbelkinder dann in der Bibliothek noch machen? Es ist doch deren liebste Beschäftigung, die untere Regaletage mit Getöse leer zu fegen und die Kinderbibliothekarin nach getaner Arbeit fröhlich und zufrieden anzulachen! 🙂