Julia und Romeo

Der junge Mann hing schon seit einer halben Stunde auf dem Geländer des Lesegartens und schaute in die Einkaufspassage herunter. Weiße Haut, schwarze Klamotten, hohe  Schuhe: Fast regungslos beobachtete er die Menschen, die unter ihm herliefen.

Die Bibliotheksdirektorin wurde etwas misstrauisch und beschloss, eine Viertelstunde später wieder nachzuschauen, ob der seltsame Beobachter noch da wäre. Tatsächlich, er stand unverändert an derselben Stelle und starrte nach unten.

Da Rumstehen und Rumgucken ja nun wirklich nichts Schlimmes ist, trollte sie sich erstmal. Weitere 10 Minuten später war sie wieder im Hause unterwegs: Der schwarze Jüngling stand immer noch wie eine Statue in der Ecke des Lesegartens. Die Direktorin tippte ihm auf die Schulter.

„Sagen Sie bitte: Was machen Sie denn hier, und wen beobachten Sie  genau?“

Der junge Mann zuckte zusammen, verdrehte sich etwas und sagte freundlich:  „Meine Freundin ist seit einer Stunde da unten im Dessousladen und kommt nicht wieder raus. Ich will sie nicht verpassen. Oh, da kommt sie gerade! Julia! Julia! Hier oben bin ich! Hiieer, auf dem Balkon! Hallo, Julia, hier oben! Ich komme runter!“

Und Romeo lief freudig seiner Liebsten entgegen, die eine hübsche Tüte voller liebreizender Unterwäsche trug.

Styling ist alles

Unsere Direktorin war mal wieder im Fernsehen. Der lokale Sender brauchte in der Ferienzeit einen Studiogast, das Thema hieß „Bookcrossing mit 1.000 Büchern am Ostersonntag“, und so verbrachte sie den Karsamstag bei Filmaufnahmen. Morgens fand der Dreh vor Ort statt, am Abend war dann der Liveauftritt im Fernsehstudio des Lokalsenders.

Schön geschminkt und zurechtgemacht verließ die Bibliotheksdirektorin die Maske und betrat das Studio: Der Lippenstift glänzte, die Haare hübsch frisiert und das Rouge zauberte eine kleine Frische auf das mittlerweile etwas ermüdete Gesicht. Abgepudert und aufgedreht beantwortete sie kompetent und aufmerksam die Bookcrossing-Fragen der Moderatorin.

Zwei Tage später wurde die Direktorin in der Bücherei verfolgt. „Waren Sie das nicht letztens im Fernsehen?“ fragte ein älterer Herr, der sie die Treppe hinauf verfolgt hatte und Blickkontakt suchte. „Sie haben doch über so Bücher gesprochen!“ Die Direktorin nickte, lächelte und freute sich, dass das Thema in den Grundzügen verstanden worden war.

Kurze Zeit später wurde sie von einer Oma am Ärmel gepackt und festgehalten. „Sie waren letzten Samstag im Fernsehen! Ich hab‘ Sie gesehen! Dat waren doch Sie, oder?“ Die begeisterte Oma hielt die Direktorin einfach am Pullover fest und zog ihr den Ärmel immer wieder herunter.

„Ja, Sie haben recht! Wie hat Ihnen denn der Beitrag gefallen?“, fragte die Direktorin zurück.

„Och, wissen S’e, ich war beim Bügeln und hab‘ nich ganz hingehört. Aber d’e Haare hatten S’e schön!“

Entspannung am Abend

Zur geistigen Erbauung veranstalten Bibliotheken immer mal wieder Autorenlesungen. Das Publikum kommt gerne und die Bibliotheksdirektorin begrüßt alle Gäste persönlich beim  Eintreffen. Sie ist schon seit 2 Stunden da, hat den Job des Hausmeisters mal eben selbst erledigt, das Lesecafé umgeräumt  und mehr als 50 Stühle hübsch an Tischen platziert. Die Salzstangen sind verteilt, Gummibärchen und Salzlakritze liegen zum Naschen auf den Tischen,  und die  Getränke stehen zur Selbstbedienung parat. So langsam füllt sich der Raum: Fast 60  Zuhörerinnen sind da, allein die Autorin fehlt. Diese kommt aus der benachbarten Großstadt; unsere Direktorin wird nun langsam nervös. Auf der Straße ist nichts zu sehen– doch schon in fünf Minuten soll es losgehen. Frierend steht die Direktorin vor dem Eingang herum:  Hopsen, Springen und Winken ist jetzt angesagt, sobald der Wagen der Autorin erkannt wird, damit diese weiß, wo’s rein geht und nicht womöglich am Eingang der Bibliothek vorbeirauscht.

Um „10 nach“ ruft die Direktorin schließlich auf dem Handy der Autorin an: „Ich bin kurz vorm Ziel. Wir hatten uns verfahren!“,  kommt die fröhliche Antwort.

Es folgt eine kurze Ansage für das wartende Publikum, und um „20 nach“ ist es endlich so weit. Die sympathische Autorin ist gelandet, holt 3-mal Luft und legt los. Die Bibliotheksdirektorin sinkt auf einen Stuhl, freut sich auf eine kurzweilige Lesung und macht es sich gemütlich. Weiterlesen

Lesemotivation

Für unsere Bibliotheksdirektorin war im Rahmen der bundesweiten Bibliothekswoche „Deutschland liest. Treffpunkt Bibliothek“ Nachtarbeit angesagt. An 8 Veranstaltungstagen mit 11 Aktionen begrüßte sie die zahlreich erschienenen Gäste, rappte das Rumpelstilzchen und fiel um Mitternacht völlig erledigt ins Bett. Ein Highlight war der „Ohrclip“ des WDR 5 mit Frank Schätzing und Elke Schmitter. 170 Besucherinnen und Besucher hatten sich angemeldet, es gab Sekt, Selters, Saft und Bionade.

„Mmmh, lecker!“, fand Herr Schätzing und schnappte sich gleich ein Fläschchen Öko-Limo. Die Gäste bedienten sich ebenso, fanden auch die Knabbereien lecker und alles war prima.

Zwei Tage später stand der Vortrag „Was ist eigentlich ‚Gute Literatur‘?“ auf dem Programm. Auch zwei außergewöhnlich aussehende Männer hatten sich diesmal eingefunden, zögerten aber etwas, den eigentlichen Vortragsraum zu betreten.

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Die Perle

Bibliotheksdirektorinnen arbeiten hart und bis tief in die Nacht. Konzepte, Zielkataloge und strategische Planungen gelingen oft erst, wenn die Kundschaft nach Hause gegangen ist. Ein paar Stunden später geht dann auch die Direktorin heim. Die Hausarbeit wird dann im Galopp erledigt: Diverse Maschinen spülen und waschen, einmal pro Woche kommt professionelle Hilfe, nennen wir sie mal "die Perle". Die Perle bekommt alles sauber, schrubbt und wischt die Badewanne und den Boden. Wenn sie damit fertig ist, sucht sie sich ein paar verschmierte Fenster oder wäscht Schränke aus – sie ist frei in ihren Entscheidungen und beginnt dort, wo es am schmutzigsten zu sein scheint. Diesmal fiel ihr Blick auf das große Bücherregal …

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Von wahren Bürsten und Hühnertorten

Die Direktorin war mal wieder sehr in Eile: Im Höbelmaus hatte sie noch schnell ein sotes Rofa ausgesucht, hatte den Püf-Trüvbericht kaum gelesen und platzte durchaus zu spät in die Sitzung.

„Ohne Silterfortware geht hier nix!“ rief sie schwungvoll und schaute suchend auf dem Tisch herum. „Ich will jetzt nicht in dasselbe Huhn torten, aber sonst verglaube ich die Liere an die Menschheit!

Wenn allerdings die Schokolade schon ille ast, dann gehe ich wieder, ok? Wenn euch gleich noch was einruft, dann fällt ihr an, oder soll ich gleich zurufrücken? Ich habe da noch einen mähnigen Säumer, der mir meine knapp befressene Meizeit stiehlt. Ein Bild muss ich auch noch aufhängen, aber das geht ja flott: Ich nehme einfach den Hammel und haue damit auf den Nager. Irgendwo in der letzten Kelle des Eckers habe ich einen gesehen …“ Weiterlesen

Impf-Buch

Am 23. April wird seit Jahren der Welttag des Buches gefeiert! In Spanien gibt es „Books & Roses“ und allüberall wird vorgelesen. In Deutschland reist man in diesem Jahr in „fantastische Welten“, bekommt ein Buch mit entsprechenden Geschichten geschenkt und kann an einem Schreibwettbewerb zum Thema teilnehmen.

Wie überrascht war unsere Bibliotheksdirektorin, als sie eine Woche vorher erfuhr, dass der Minister ihre Stadt am Welttag des Buches besuchen wollte! „Wow!“ entfuhr es ihr. „Welche Ehre und welcher Minister denn genau?“

Tja, es wird leider nur der Gesundheitsminister sein, der eine landesweite Impfkampagne ausgerechnet am Welttag des Buches unterstützen will. Hoffentlich bringt er sein Impfbuch mit! 😉

Bücherei-Geschrei

Es ist Donnerstag, kurz nach 19:30 Uhr.

Um 20 Uhr schließt die Bibliothek, einzig die ZuhörerInnen der Taugenichts- Lesung dürfen länger bleiben. Sie sitzen ruhig und hören zu, derweil der vortragende Künstler mit Emphase und Schwung Eichendorff zum Besten gibt.

Zwei junge Damen sind noch bei den Schularbeiten. Sie merken auf– der Taugenichts lässt sich nicht überhören– kommen zutraulich näher und fragen lauthals und ungedämpft:

„Wer schreit denn hier so rum?“

„Psst!“ flüstert die Bibliotheksdirektorin, „das ist hier eine Lesung. Es wird Josepf von Eichendorffs »Aus dem Leben eine Taugenichts« gegeben.“

In Zimmerlauststärke kommt die Frage, gepaart mit einer hinwerfenden Handbewegung: „Ist der berühmt?“ Weiterlesen

Rendevous mit Jenny Treibel

Frage: „Wieso kannst Du denn am Donnerstag nicht zur Arbeitsgruppe kommen? Wir sehen dich wirklich selten!“

Antwort der Direktorin: „Zur Zeit kann ich donnerstags nicht, ich habe jetzt ein paar Wochen lang ein literarisches Rendevous mit „Frau Jenny Treibel“.

Frage: „Wer ist dat denn? Kannst Du die nicht verlegen?“

Die Direktorin erklärt lachend : Weiterlesen