Der Trichter und sein Henkel

Die Ferien hatten gerade begonnen und unsere Direktorin hatte Besuch: Ihre Großneffen und -nichten sprangen herum. Mit der kleinen Großnichte aß sie abends und am Wochenende am liebsten Hühnersuppe, die große Großnichte brauchte eigentlich nur einen Spiegel und viel Glitzerschminke, und der Großneffe lief gerne im Blaumann herum und sägte und ackerte im Garten. Wie freute sich die Bibliotheksdirektorin, als sich beim Sägen ein literarisches Gespräch entwickelte.

– „Du sag’ mal, Du kennst doch so viele Bücher und hast doch auch welche; ich muss nämlich eins für die Schule lesen. Kannst Du mir das in den Ferien leihen?“
– „Ja klar!“ antwortete die Direktorin. „Wie heißt denn das Buch?“
– „Wie, wie das heißt?“
– „Na, der Titel vom Buch, wie lautet der?“
– „Ja nee, das weiß ich nicht, da muss ich mal gucken, wo ich das habe, ich sag’ Dir morgen Bescheid.“

Der Großneffe ging auf die Suche, und kurz vor dem Ferienende wurde er fündig: „Ich hab ’s!“ rief er fröhlich. „Das Buch ist von einem Henker und einem Dichter! Hast Du das?“

Gott sei Dank fand die Direktorin den Dürrenmatt-Krimi in ihrem Bücherschrank. Und auch wenn der Titel nicht so ganz der Erwartung entsprach, fing der junge Mann sofort an zu lesen …

Vorlesen mit ohne alles

„Von Witzbolden und Kichererbsen“ heißt der Vorleseclub, der immer dienstags für Kinder ab 5 Jahren im Angebot ist. 20 ehrenamtliche Vorlesepatinnen  und -paten sind dort allwöchentlich im Einsatz und versprechen Spaß und Gelächter für die kleinen Geschichten-Fans. Unsere Bibliotheksdirektorin hat die Vorlesenden ordentlich ausgebildet– alle zwei Jahre kommen neue Vorleserinnen und Vorleser dazu, andere hören auf. Ganz besonders froh ist die Direktorin, wenn sich Jungs oder Männer ausbilden lassen: Das erleichtert die Leseförderung für Jungen sehr.

Der jüngste Vorleser– nennen wir ihn mal HM (der echte Name ist der Direktion bekannt!)– ist ziemlich cool: 14 Jahre alt und gehört in die Gruppe „männliche Jugendliche mit Migrantenhintergrund“. Der Knabe hat Talent, und heute war er zum ersten Mal mit Vorlesen dran. Freudig wird er von der Bibliotheksdirektorin empfangen.

– „Hallo HM, da bist Du ja, prima! Was wirst Du denn vorlesen, wo ist denn Dein Buch?“
– „Buch?“
– „Ja, Dein Buch, wo ist es denn? Du bist doch sicher vorbereitet und hast geübt?“
– „Äh, also, ehm: Ich hab’ kein Buch.“
– „Wie, Du hast kein Buch? Wie willst Du denn dann vorlesen?“
– „Ähm, also, ich hatte gedacht … also, ehm …“

Die zweite Vorleserin– eine erfahrene Kraft– schnappte sich den jungen Mann kurzerhand und sagte: „Das machen wir schon!“, und eh sich der Jüngling versah, musste er einzelne Seiten aus einer gereimten Hasengeschichte vorlesen. Er stolperte mit großer Gelassenheit durch den Text, malte mit den Kindern dann Hasenkörbchen der schönsten Art und brauchte am Ende 20 Minuten, um fünf  alphabetisch einsortierte Namenskarten zu finden. Zum Glück kam dann aber einer seiner Kumpel vorbei, und HM beendete die Vorlesestunde mit den Worten: „Hey Alter, das iss hier ja voll anstrengend!“

Buttern im Gebüsch

Unsere Bibliotheksdirektorin freute sich auf ihre jährliche Hexen-Wanderung: „Lesen im Gebüsch“ war ausverkauft und 32 Grundschulkinder marschierten bei schönstem Wetter los.

Die Mädchen waren in der Überzahl und begannen sofort damit, einen Blumenstrauß aus Butterblumen zu pflücken. Damit verfehlten sie zwar das naturkundliche Lernziel, hatten aber zum Ausgleich extra schöne Schuhe angezogen: rosafarbene Ballerinas und weiße Glitzersandalen. Die Butterblumen wurden jedoch bald langweilig, denn jetzt sollten alle Kids das Sitzen üben, ohne dass der Popo den Boden berührt. Das klappte allerdings nur bergauf; bergab plumpsten alle, die es ausprobierten, auf den Allerwertesten und kugelten den Hang herunter. Dann musste ganz rasch „Indianerpflaster“ gefunden werden: Gina hatte sich das Bein aufgeschürft, und beim Brennesseltest war einigen Kindern das beherzte Zupacken nicht auf Anhieb gelungen.

Das Einsammeln der Johanniskrautblüten, das so gut gegen traurige Gefühle hilft, hatten die Jungs komplett verpasst: Für sie war die Wanderung schon deshalb großartig, weil sie mit einem Stock das wuchernde Gebüsch niedermachen durften. Als sie aber die Füße zur Erfrischung in einen Murmelbach halten sollten, mussten das die „Oberhexen“ erstmal vormachen.

„Bevor wir die nächste Geschichte vorlesen, brauchen wir einen stärkenden Zaubertrank!“ rief die Zauber-Direktorin ihren Lehrlingen zu. Weiterlesen

Ritter ohne Langeweile

Dreizehnjährige Jungs können wirklich goldig sein!

Oft finden sie das Lesen voll blöd, haben aber meistens Mamas, die es als eine hohe Tugend preisen.

Der Ausspruch „Junge, lies doch mal was!“ ist für die jungen Herren allein schon nervend, wenn sich die Mamas dann aber erheben und kleine Bücherkisten zur Leseförderung des Sohnemanns in der Bibliothek bestellen, tritt Alarmstufe Rot ein.

Doch damit ist es nicht getan – die lesefördernden Mamas wollen jetzt, dass die werte Nachkommenschaft auch noch einen Bücherwunschzettel erstellt, damit die Bücherkiste ordentlich gefüllt werden kann.

„Och Mama! Was soll ich denn da schreiben? Ich finde Lesen echt anstrengend! Muss ich das wirklich machen?“

All das erzählte die betreffende Mama und überreichte der Bibliotheksdirektorin den mageren Wunschzettel. Was stand drauf?

Thema Ritter

soll in England spielen

Sprache: Deutsch

höchstens 250 Seiten!

keine langweiligen Stellen!

Da hatte die Bibliotheksdirektorin was zu tun! Langweilige Bücher mit mehr als 250 Seiten gibt es nämlich wie Sand am Meer. 😉

Bücherei-Geschrei

Es ist Donnerstag, kurz nach 19:30 Uhr.

Um 20 Uhr schließt die Bibliothek, einzig die ZuhörerInnen der Taugenichts- Lesung dürfen länger bleiben. Sie sitzen ruhig und hören zu, derweil der vortragende Künstler mit Emphase und Schwung Eichendorff zum Besten gibt.

Zwei junge Damen sind noch bei den Schularbeiten. Sie merken auf– der Taugenichts lässt sich nicht überhören– kommen zutraulich näher und fragen lauthals und ungedämpft:

„Wer schreit denn hier so rum?“

„Psst!“ flüstert die Bibliotheksdirektorin, „das ist hier eine Lesung. Es wird Josepf von Eichendorffs »Aus dem Leben eine Taugenichts« gegeben.“

In Zimmerlauststärke kommt die Frage, gepaart mit einer hinwerfenden Handbewegung: „Ist der berühmt?“ Weiterlesen