Jugend forscht

Die beiden kleinen Jungs, unverkennbar Brüder und voller Tatendrang, waren der rennende Beweis für die These der Bibliothekdirektorin:

Das stille Sitzen gehört nicht zu den Grundbedürfnissen von Kindern!

Sie flitzten durch das ganze Haus und gehörten zu der Sorte der Fummler: Hier mal anfassen, dort mal um die Ecke gucken, auf allen PC-Tastaturen klimpern, am Kopierer die blinkenden Knöpfe drücken, auf Kunstwerke  klettern und am Geländer turnen. Dann an der Sicherungsanlage schaukeln, in den Flohmarktschrank krabbeln und mal in der Kinderbibliothek in die Büros marschieren: „Habt Ihr  Süßigkeiten?“ Mit einer  Schnute voller Gummibärchen saßen dann beide im Bilderbuchtrog, die Bücher hatten sie rausbefördert.

„Allerliebst“, dachte die Direktorin, „wo ist eigentlich der zuständige Papa abgeblieben?“ Sie nahm Fahrt auf und folgte den Energiebündeln.

Die waren schon  wieder die Treppe rauf und hatten vorher noch schnell den Aufzugsknopf gedrückt. Oben entdeckten sie die  Taschenbuchständer, gleich acht  nebeneinander.

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Dufte Mädels

Die beiden Mädchen waren etwa 10 Jahre alt, also noch in der Rosa-Phase.  Sie  schritten Hand in Hand die Treppe zur Jugendbibliothek  hinauf und übten sich im aufreizenden Hüftgang. Ihr Blick war offen, sie lächelten etwas ins Leere und suchten ihr Publikum.  Die Direktorin stand am Aufzug und merkte auf: „Mmmh, hier riecht aber jemand gut!“, sagte sie.

„Das sind wir!“, sagten die beiden zutraulich und lächelten süß. „Wir waren nämlich gerade bei Douglas, haben dort alles ausprobiert und uns geschminkt, weil wir doch in die Jungenbücherei wollten. Wo sind denn hier die Jungs? Und wo ist die Mädchenbücherei?“

Beide klapperten so liebreizend mit den Augen, dass die Direktorin es aufrichtig bedauerte, dass gerade keine Jungs in der Jugendbücherei waren.

Vollständig abgerechnet

„Reisekostennachweis“ stand über dem unpersönlichen Ausdruck mit dem Zusatz „Kernverwaltung“ . Die Direktorin las mit Interesse:

Reiseziel:  9.2.2009 bis 9.2.2009 – 9 bis  bis 16:30 Uhr

Grund/Ort/Land: Dienstreise, Düsseldorf, Deutschland

Tätigkeit: sonstige

Tagegeld: Anzahl 1

Erstattungsbetrag in EUR: 0,00 (0,00 EUR Firma AbzgFi.)

Gesamtbeträge Tagegeld in EUR: 0,00

Gesamtbeträge Pauschalabrechnung in EUR: 0,00

Erstattungsbetrag in EUR: 0,00

Kostenzuordnung/Überzuleitender Reiseaufwand in EUR: 0,00

„Huch!“, dachte die Direktorin, „da muss ich aber aufpassen, dass ich nicht alles auf einmal ausgebe.“

Sie stutzte und schaute noch einmal aufs Datum. War sie nicht genau an diesem Tag ganz woanders gewesen? Sie prüfte ihren Kalender:

Tatsächlich! Sie war an dem Tag in Reutlingen und nicht in Düsseldorf! Der Geldsegen war gar nicht für sie bestimmt, sondern für eine Kollegin beim Bauamt.

Na, die wird sich aber freuen! 😉

Rosen aus Bodenhaltung

rosen-20094Zum Welttag des Buches hatte die Bibliotheksdirektorin zu „Books & Roses“ eingeladen! Wer sich neu in der Bibliothek anmeldete, bekam eine langstielige Rose, Kinder wurden mit einem Abenteuerbuch beschenkt.  Die neu gewonnene  Kundschaft freute sich, alle strahlten!

Gegen Mittag aber betrat eine Neukundin das Haus, die die Rosen kritisch beäugte und dann fragte:  „Sagen Sie mal, sind die Rosen hier überhaupt fair gehandelt? Woher stammen die denn?“

Die Direktorin hatte die Rosen zwar ausgesucht und rangeschleppt, hatte aber keine Ahnung vom Herkunftsland. Daher antwortete sie wahrheitsgemäß:

„Die Rosen sind vom Holländer um die Ecke, er hat der Bibliothek einen sehr fairen Preis gemacht!“

Dass die Rosen aus Bodenhaltung stammen, musste ja nicht noch extra erwähnt werden.

Märchenstunde

Der Mann war in Fahrt, fuchtelte der Bibliotheksdirektorin mit einem Zettel vor dem Gesicht herum und sagte aufgebracht: „Also, das geht doch nicht! Man muss doch von einer Bibliothek erwarten können, dass sie nicht solche Fehler verbreitet!“

Mit Mühe erkannte die Direktorin, dass der flatternde Zettel ein Veranstaltungsflyer aus der eigenen Bibliothek war. Die  Ferienaktion ‚Listige Igel‘ war darauf angekündigt:  Sie selbst hatte den Text entworfen.

Jetzt landete der Zettel direkt unter ihrer Nase: „Schauen Sie doch mal hier, das stimmt doch gar nicht! Das Märchen der Gebrüder Grimm heißt nicht ‚Hans, mein Igel‘, sondern es heißt  ‚Hase und Igel‘! Wie können Sie denn solch einen Quatsch schreiben?“

Der Mann drehte sich wütend auf dem Absatz um und stapfte aufgebracht davon.

Das war sein Glück! Die Bibliotheksdirektorin hatte nämlich gerade ihre frechen fünf Minuten und die Antwort von Dieter Nuhr lag ihr schon auf der Zunge: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!“

Die absolute Singlebörse

Der Punker sah ziemlich wüst aus, marschierte stracks  zur Anmeldung und ließ sich einen nagelneuen Bibliotheksausweis ausstellen. Er blickte staunend umher und meinte: „Boa, ist ja geil hier!“

Dann verlor die Bibliotheksdirektorin den bunten Vogel aus den Augen. Zwei Stunden später tauchte er wieder im Erdgeschoss an der Ausleihtheke auf. Mindestens 15 Bücher schob er freundlich zum Verbuchen rüber und strahlte über das ganze Gesicht.

„Hey, das ist ja noch geiler, als ich dachte! Das ist hier ja die absolute Singelbörse! Ich hab’ jetzt zwei Dates und  ’nen Stapel Bücher– ich komm’ jetzt öfter!“

Lausige Zeiten

Da sprangen doch zur Unterrichtszeit am letzten Freitag zwei Schulkinder in der Kinderbibliothek herum– besonders das Hochbett hatte es ihnen angetan.  Sie waren richtig gut gelaunt und hopsten rein, dann wieder raus, dann darauf herum und: Purzelbaum! „Mensch, hier ist es aber toll!“

Die Bibliotheksdirektorin guckte sich das alles nicht ohne Wohlwollen an. Doch erinnerte sie sich an die mahnenden Worte des städtischen Jugendrichters: „Wenn Kinder oder Jugendliche straffällig geworden sind, haben sie sehr oft eine Schulschwänzer-Karriere hinter sich!“

„Warum seid ihr eigentlich nicht in der Schule? Machen Eure Lehrer einen Ausflug?“

„Nö!“, kam die fröhliche Antwort. „Wir dürfen nicht in die Schule gehen, wir haben  gerade Läuse! Und weil es zu Hause so langweilig ist, meinte meine Mutter, wir sollten doch mal in die Kinderbibliothek gehen! Hier ist es doch immer so schön und spannend!“

Fassungslaus kratzte sich die Direktorin am Kopf …

Vom langsamen Verfertigen der Wahrheit während des Lügens

Die beiden saßen in der Jugendbibliothek am Internet-PC und lachten sich schief! Die Bibliotheksdirektorin freute sich über die gut gelaunte Kundschaft.  Sie näherte sich und fragte natürlich zuerst nach dem gültigen Bibliotheksausweis. Die beiden sympathischen Jungs  mit Migrantenhintergrund verfielen schlagartig in die Comicsprache:

„Aääh, der da!“– „Häh, ich? Nä, du!“– „Ey, wieso ich!?“

Es kam heraus, dass der große Dunkle ordentlich angemeldet war. Der kleine Kräftige aber, der sein Alter mit 15 Jahren angab,  druckste irgendwie herum und faselte von „so einem komischen Buch“.  Die Direktorin merkte, dass da was im Busch war, und prüfte jetzt mit ernstem Blick …

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Die Wandlung der Büchereikinder

In der Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in vielen Büchereien „Büchereikinder“. Das waren häufig belesene Mädchen, die in ihrer Freizeit in der Bibliothek halfen, die Ausleihkartei im Griff hatten und auch beim Einstellen der Bücher flott und fit waren. Sie liebten ihre Bücherei und verbrachten möglichst viel Zeit in ihr.

Die heutigen Büchereikinder legen wenig Wert darauf, in der Bibliothek bekannt zu sein.

Da riefen doch in der vergangenen Woche zwei ebenso aufgebrachte wie verunsicherte ältere Damen bei der Bibliotheksdirektorin an: Ein Horde Kinder hätte bei ihnen an der Tür geklingelt und gebrauchten Lesestoff verkaufen wollen. Die Damen seien zurückhaltend geblieben und hätten erst einmal nichts gekauft.

Daraufhin  steigerten die Kids ihre verbalen Anstrengungen und kramten zum Beweis ihrer Seriosität allesamt einen Ausweis aus der Tasche:

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Die Perle

Bibliotheksdirektorinnen arbeiten hart und bis tief in die Nacht. Konzepte, Zielkataloge und strategische Planungen gelingen oft erst, wenn die Kundschaft nach Hause gegangen ist. Ein paar Stunden später geht dann auch die Direktorin heim. Die Hausarbeit wird dann im Galopp erledigt: Diverse Maschinen spülen und waschen, einmal pro Woche kommt professionelle Hilfe, nennen wir sie mal "die Perle". Die Perle bekommt alles sauber, schrubbt und wischt die Badewanne und den Boden. Wenn sie damit fertig ist, sucht sie sich ein paar verschmierte Fenster oder wäscht Schränke aus – sie ist frei in ihren Entscheidungen und beginnt dort, wo es am schmutzigsten zu sein scheint. Diesmal fiel ihr Blick auf das große Bücherregal …

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